Motivation#

Die soziale Netzwerkanalyse (SNA) erfährt zunehmend an Beachtung (Jansen 2003, S. 11). Als Teilforschungsfeld der (Makro-)Soziologie bewegt sie sich aufgrund ihres grundlegend interdisziplinären Charakters nichtsdestotrotz außerhalb der traditionellen Disziplinen-Grenzen und vereint die verschiedenen Forschenden vielmehr durch einen gemeinsamen strukturellen Ansatz (Freemann 2004, S. 2). So haben während der langen Entstehungsgeschichte der SNA neben Soziolog:innen auch einige Wissenschaftler:innen anderer Disziplinen, wie z.B. der Psychologe Kurt Lewin, der Mathematiker Derek De Solla Price oder der Anthropologe Alfred Reginald Radcliffe-Brown (Freeman 2004), das Feld maßgeblich geprägt.

Während bisherige nicht sozialwissenschaftliche Forscher:innen oftmals gemeinsam mit Sozialwissenschaftler:innen geforscht haben, hat der Einstieg von Physiker:innen in das Forschungsfeld in den späten 1990er-Jahren die bisherigen Sozialen Nezwerk-Analytiker:innen aufgerüttelt (Freeman 2011) - so spricht Bonnacich im Titel eines Aufsatzes 2004 von einer “Invasion der Physiker”, Freeman (2011, S. 4) spricht von einem “revolutionary change”. Mit ihren Veröffentlichungen zum small world Problem 1998 und der Verteilung von Zentralitätsgraden 1999 haben die Physiker:innen Watts & Strogatz sowie Barabasi und Albert den Gegenstand der sozialen Netzwerkanalyse quasi neu entdeckt für die Physik und - so lautet der Vorwurf - wenig auf die bisherigen Erkenntnisse der sozialen Netzwerkanalysten zurückgegriffen (u.a. Freeman 2011, Freeman 2004, Scott 2017). Der Erfolg dieser Publikationen hat dann zahlreiche weitere Wissenschaftler:innen aus der Physik zur SNA gebracht.

Neben dieser Öffnung der SNA für weitere Physiker:innen, kam es in Folge dieses Zusammenstoßes der verschiedenen Disziplinen aber auch zu einem (vorläufigen) Bruch an deren Disziplinengrenzen. So zeigt Freeman anhand der Zitationsmuster in der small world-Literatur für die frühen 2000er Jahren eine klare Trennung zwischen Forschenden der bisherigen SNA und Physiker:innen: Beide Seiten zitierten in 98% der Fälle ihre eigene Community (Freeman 2004, 165f.). Spätere Arbeiten (u.a. Freeman 2011, Scott 2017) weisen darauf hin, dass sich z.B. durch gemeinsame Publikationen, engere Formen der Zusammenarbeit entwickeln und von den Erkenntnissen gegenseitig profitieren.